Westlerin ist Hessens Spitzenbrett

Am Pfingstwochenende wurde die traditionelle deutsche Frauenländermeisterschaft in Braunfels ausgetragen mit Beteiligung einer Frankfurt-West-Spielerin.
An Platz 5 gesetzt hatten wir in der ersten Runde mit Schleswig-Holstein ein vermeintlich leichtes Los. Mein persönliches Los an diesem Nachmittag war mit WGM Christina Foisor weniger leicht und sie fegte mich erwartungsgemäß souverän vom Brett. Auf die übrigen Hessendamen war indes Verlass und wir gewannen 6,5:1,5.
Samstagmorgen wurden wir dann gegen den Rekordmeister NRW gelost und ich durfte gegen meine Vereinskollegin (Damenmannschaft in Essen-Holsterhausen) WIM Anna Dergatschova spielen.
Vor lauter Angst, ihr zu viel Spiel zu geben, baute ich mich entgegen meiner Art extrem passiv auf und stand einfach schlecht. Positionell war die Stellung schon früh verloren, aber letztlich konnte ich mein Material doch nicht mehr bei mir halten, opferte eine Qualität für zweifelhafte Kompensation und... na ja, seht selbst.
Dr. Zunker stand als Kiebitz daneben und konnte gar nicht glauben, was er da sah. Meine Gegnerin, die zuweilen als Schachjournalistin tätig ist, freute sich nicht nur über den Punkt, sondern auch darüber, dass sie jetzt eine schöne Anekdote zu schreiben habe. An den anderen Brettern kamen dann leider für Hessen nur noch 1,5 Punkte zu Stande.
In der Nachmittagsrunde spielten wir gegen Thüringen, die mit einer jungen Mongolin an 1 antraten. Zum Glück siegte dieses Mal Alter vor Schönheit und meine größere Erfahrung mit der Aljechin-Verteidigung machte sich in einer Stunde Zeitvorteil und guter Stellung bezahlt. Nein, so unspannend wollen wir es nicht machen! Vor den Augen des Aljechin-Experten Erich Siebenhaar ließ ich in Gewinnstellung meine Mehrstunde abticken, um schließlich den Qualitätsgewinn, auf den ich seit einigen Zügen spielte, nicht zu machen. Ich gab mich lieber mit einem Bauerngewinn zufrieden - man wird ja bescheiden mit dem Alter. In beidseitiger Zeitnot gelang es ihr dann aber doch meinen kleinen Vorteil in eine erneute Gewinnstellung umzuwandeln und meine Gegnerin, man glaubt es kaum, gab auf. Unsere Mannschaft verlor leider wieder(2:6).
Hamburg erwartete uns zu nachtschlafender Zeit am Pfingstsonntag. Ich durfte gegen WIM Dr. Rita Kas-Fromm spielen, gegen die ich in der Bundesliga eine grauenhafte Bilanz aufweise. Aber mit Chessbase bereitete ich mich die ganze Nacht auf ihren Sizilianer vor, saß morgens um 7:00 schon mit meinem Freund Fritz am Computer und analysierte möglicherweise entstehende Stellungen.
Ich hatte mir ausgeguckt, ein zweifelhaftes Bauernopfer im Richter-Rauzer-Angriff zu spielen. Und tatsächlich kam genau die Variante aufs Brett, ich trank genüsslich meinen Kaffee, Rita grübelte, schluckte meine Bauern, aber leider nicht meine Figuren. Irgendwann wickelte sie ins Endspiel ab, zählte ihre Bauern, zählte meine Bauern und wirkte zufrieden. Tja, da habe ich mich wohl selbst platt gespielt. Zum Glück punkteten die anderen Bretter noch zum 4,5:3,5 und so hatte Hamburg am letzten Tag das Freilos und wir durften noch mal antreten.
Württemberg hieß der Gegner mit WGM Vesna Misanovic an Brett 1, die Jugendtrainerin von den SF Deizisau. Auch gegen sie schaute ich mir eine schön scharfe Variante an, aber sie bremste mich gleich mit dem Schmitt´schen Schweinchensystem aus. Da fragt man sich, wie man gegen e3 und c3 im 10. Zug als Schwarzer schon 'ne Figur opfern kann, aber ich dachte mir, wenn schon untergehen, dann mit fliegenden Fahnen!
Patsch, da stand mein schwarzer Läufer schon auf f2. Sie sagte nur trocken nach der Partie: "Du hättest aufgeben sollen nach 10. ...Lxf2!" Ach so, Frau Misanovic, nächstes Mal sicher. Fakt ist, dass die Gute sich wohl zu siegessicher war und mir letztlich ein Endspiel mit Turm gegen 2 Springer und 3 verbundenen Freibauern meinerseits überließ. Das nun folgende schlimme Gepatze kann sich ja jeder selbst ansehen. Meine Mannschaftskolleginnen machten aber die Sache lieber vorher klar und so hatten wir schon gewonnen bevor ich den meinen Turm wieder verlor.
Mit einem Mittelplatz sind wir Hessendamen sehr zufrieden. Spannend war der Kampf um den ersten Platz, denn Sachsen-Anhalt war in diesem Jahr mit einer ungarischen Doppelspitze (WGM Lakos und WGM Madl) aufgelaufen, um endlich mal zu gewinnen. Glückspilz Anna Dergatschova von NRW nahm aber Lakos Dame an sich und damit auch den Mannschaftspunkt. Lange sah es dann so aus, als ob NRW mal wieder Meister würde. Samstagabend wurde beim Büffet schon kräftig gefeiert.
Baden, eine auch an den mittleren Brettern noch sehr gute Mannschaft, hatte gegen Sachsen-Anhalt verloren und es kam zum Show-down gegen NRW in der letzten Runde. Baden gewann in einem dramatischen Kampf und nach Brettpunkten war Sachsen-Anhalt dann doch noch vorne, NRW auf Platz 2 und Baden trotz des Erfolgs in der letzten Runde nur auf Platz 3.
Trotz aller schachlicher Erfolge und vor allem Misserfolg nach Braunfels fahre ich immer wieder gerne. Meine Mannschaft gab mir noch einen guten Tipp mit auf den Weg: "Niemals à tempo aufgeben, Bergit!"

Meine Partien von der DFMM.